Seit Anfang November befindet sich Österreich im zweiten Lockdown. Freizeitaktivitäten, Kontakte außerhalb der Familie, Ausgangsverbote, Verbot aller kultureller Veranstaltungen und viele andere Einschnitte in unsere persönliche Freiheit wurden per Verordnung durchgesetzt. Das Ziel all dieser einschneidenden und nicht sehr populären Maßnahmen ist es, eine Überbelastung unseres Gesundheitssystems, hier vor allem der Intensivmedizin, zu verhindern. Die einen nennen die Maßnahmen übertrieben, für die anderen reichen sie bei Weitem nicht aus.
In der Schule läuft seit längerem dieselbe, oft sehr emotional geführte, Diskussion. Offenhalten- womöglich um jeden Preis? Oder, wie für die Oberstufe bereits Realität, abermals von zu Hause aus unterrichtet werden. Die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown zeigen deutlich, dass Homeschooling den „normalen“ Unterricht nicht ersetzen kann. Die fehlenden sozialen Kontakte und die damit verbundene soziale Vereinsamung, wie die deutsche Studie „Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen“ an über 6.000 Jugendlichen über 15 Jahren zeigt, schüren Ängste und sind kaum geeignet, ein positives Lernklima zu schaffen. Homeschooling lässt auch die soziale Schere größer werden. So befürchtet das Schweizer Institut für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie in seiner Studie „Schul-Barometer“, dass Schülerinnen und Schüler aus sozioökonomisch belasteten Familien die „(Bildungs-)Verlierer“ der aktuellen Situation sein werden. Als Gründe werden unter anderem ein Zusammenspiel aus schlechter technischer Ausstattung, beengten Wohnverhältnissen und wenig Möglichkeiten, dass Eltern oder Geschwister die Schülerinnen und Schüler unterstützen, genannt. Eine aktuelle Studie der Oxford-Universität zeigt den enormen Bildungsverlust, der durch Homeschooling entstanden ist. Dieser ist in Ländern höher, in denen man sich nicht oder nur wenig auf digitalen Unterricht vorbereitet hat. Österreich zählt dabei zu den Ländern, die sich kaum auf dieses Szenario eingestellt haben. Bis zu 20% weniger Zeit wurde von Schülerinnen und Schülern mit Lernen verbracht.
Aus all diesen Erkenntnissen kann man folgern, dass die Schulen offen bleiben müssen!
Aber welche Risiken nehmen wir dabei in Kauf? Kinder und Jugendliche zählen im Gegensatz zu anderslautenden Gerüchten sehr wohl zu den Verbreitern dieser Pandemie, obgleich sie oftmals nur schwache oder gar keine Symptome zeigen. Gerade Beispiele wie Israel im zweiten Lockdown- auch hier wurden die Schulen offen gehalten- zeigen, dass die Schulen zu Zentren der Virusverbreitung wurden. Österreichs bildungsverantwortliche Politiker im Bund und in den Ländern haben sich das Ziel gesetzt, die Schulen solange offen zu halten wie nur möglich. Angesichts der negativen Auswirkung des Homeschoolings halten wir als parteifreie Gewerkschafter_innen diese Vorgabe als sehr sinnvoll.
Aber was wurde tatsächlich unternommen, um ein Offenhalten der Schulen zu ermöglichen? Denn die politische Willensbekundung alleine schützt wohl kaum vor Ansteckung. Welche Schutzmaßnahmen wurden also getroffen, um SchülerInnen, LehrerInnen und anderes Personal vor einer Ansteckung am Arbeitsplatz zu schützen? Neben einer unzureichenden Anzahl an FFP-2 Schutzmasken (manche Schulen haben bis jetzt noch gar keine erhalten), dem Versprechen, dass irgendwann einmal mehr Masken zur Verfügung stehen werden und Desinfektionsmittel am Schuleingang, wurde bis Dato relativ wenig unternommen. Wo in anderen Bereichen mit Kundenkontakten zumindest Plexiglaswände aufgestellt werden, um die Bediensteten zu schützen, herrscht bei uns gähnende Leere. Die Klassenstärke wurde nicht verringert. Es werden 25 bis 30 Schülerinnen und Schüler in viel zu kleinen Klassenzimmern unterrichtet. Die nötigen Abstände können daher fast nie eingehalten werden. Es wurden keinerlei zusätzliche Unterrichtsräume angemietet. Es gibt kein zusätzliches Personal an den Schulen, um große Gruppen aufzuteilen und weitere Abstände zu garantieren. Der Dienstgeber hat zu wenig Vorsorge getroffen, um erkranktes Lehrpersonal schnell zu ersetzten. Von Luftfilteranlagen mit Virenschutz können die Schulen in Österreich nur träumen.
Alle Maßnahmen, die tatsächlich einen erhöhten Schutz für SchülerInnen und Lehrpersonal brächten und ein Offenhalten der Schulen ermöglichen würden, erfordern finanzielle Mittel. Geld, das entweder nicht vorhanden ist, oder das man schlicht und einfach nicht für die Bildung ausgeben möchte. Der Stehsatz „wir müssen die Schulen offen halten“ wird nicht deshalb besser, wenn man ihn wie ein Mantra vor jeder Fernsehkamera wiederholt. Der Schutz der Gesundheit aller in einer Schule arbeitenden Personen ist wohl der Schlüssel dazu, Schulen auch während einer Pandemie offen zu halten.
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